Kultur

Kultur ist das Entstehen von Neuem und das Neuentdecken von Altbekanntem. Kultur ist nach unserem Verständnis kein Sahnehäubchen, sondern Lebensmittel. Sie stiftet Identität, weckt Erinnerung oder kann Gefühlswelten Ausdruck verleihen. Grüne Kulturpolitik beruht auf dem Grundverständnis, dass Kultur elementarer Bestandteil menschlichen Zusammenlebens ist. Kunst, Kultur aber auch freie Medien dürfen nicht politisch instrumentalisiert werden.

Die Kulturförderung des Landes ist seit Jahrzehnten kaum angerührt worden: Wir wollen sie aufwecken und ein neues Kulturgesetz verabschieden, das in Land und Stadt Raum für kreative Ideen schafft und ein modernes Kultur- und Freizeitangebot fördert. Kultur und Medien sollen frei in ihrem Schaffen sein. Sie sind Sprachrohr unserer Demokratie und unserer Meinungsfreiheit, unseres Lebensgefühls, unserer Wünsche, Träume und Ängste.

Für uns GRÜNE hat es deshalb höchste Priorität, ihre Unabhängigkeit zu erhalten. Besonders werden wir uns weiter für eine bunte, moderne und barrierefreie Medienlandschaft einsetzen, die es allen Menschen ermöglicht, mitzusprechen und sie für die Zukunft mitzugestalten.

Kultur hält uns am Leben – Kultur am Leben halten

Kultur bereichert uns. Sie verändert unseren Blick auf die Welt und weitet den Horizont. Kultur hilft uns, Neues zu verstehen und Bekanntes neu zu entdecken. Weil die Auseinandersetzung mit Kunst all diese Dinge vermag, verdienen die Kulturschaffenden unseres Landes unsere besondere Aufmerksamkeit und Förderung.

Die Corona-Krise hat uns gezeigt, wie anfällig Kultur für ökonomische Krisen ist. Gleichzeitig haben wir mehr denn je gespürt, dass Kultur das Leben lebenswert macht. Viele von uns haben in Zeiten des Abstandhaltens mehr gelesen, Filme gesehen oder Musik gehört und daraus Zuversicht und Halt geschöpft. Die Auseinandersetzung mit unserem Dasein ist essenziell für unser Menschsein.

Kultur bringt Menschen zusammen. Die Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung der Coronakrise haben deshalb das kulturelle Leben besonders hart getroffen. Das gilt auch für die Kulturschaffenden und alle, die durch ihre Arbeit Kultur möglich machen – beispielsweise im Ticketverkauf oder beim Aufbau und Einsatz der Veranstaltungstechnik. In vielen Bereichen wie der Clubkultur, der Musikszene und der Eventbranche gab es auch im Zuge der Lockerungen und durch angepasste Konzepte kaum Möglichkeiten, dem massiven Einbruch wirksam entgegenzutreten. Deshalb setzen wir uns weiter für einen bundesweiten Rettungsfonds ein, um Kulturschaffende und Soloselbstständige zu unterstützen, deren Einkommen durch Veranstaltungsabsagen und ausbleibende Engagements weggebrochen sind.

Kulturförderung neu denken

Seit beinahe 30 Jahren hat sich die Kulturförderlandschaft in Rheinland-Pfalz so gut wie nicht verändert. Zwar haben wir es in den vergangenen Jahren geschafft, einige neue Elemente wie das Programm „Jedem Kind seine Kunst“ zu integrieren, doch bei der grundlegenden Verteilung der Mittel hat sich wenig getan. Um die Kulturförderung des Landes transparenter und passgenauer zu gestalten, wollen wir in der kommenden Wahlperiode eine Enquetekommission einsetzen. Gemeinsam mit Akteur*innen aus der Praxis, Künstler*innen, Kulturschaffenden und Kulturermöglicher*innen möchten wir diskutieren, wie eine gerechte und krisensichere Finanzierung der Kultur hierzulande aussehen könnte. Ziel des Prozesses ist die Entwicklung eines rheinland-pfälzischen Kulturgesetzes, das das Land und die Kommunen gemeinsam in die Pflicht nimmt. Die Zeit, bis dieses Kulturgesetz in Kraft tritt, möchten wir nutzen, um mit den Kommunen gemeinsam Zielvereinbarungen über kommunale Kulturbudgets zu treffen. Gleichzeitig setzen wir uns dafür ein, dass der Kulturetat des Landes jährlich um die Höhe der Inflationsrate steigt und diese Mittel direkt an die geförderten Projekte und Einrichtungen weitergegeben werden.

Stadt – Land – Kunst

Die Chancen und Herausforderungen für Kulturschaffende gestalten sich in Stadt und Land sehr unterschiedlich. Während in den Städten steigende Mieten und zunehmende Raumnot die Handlungsspielräume von Künstler*innen zusehends verkleinern, sehen sich Kulturschaffende im ländlichen Raum einem alternden Publikum gegenüber und haben auch selbst oft Schwierigkeiten, Generationenwechsel in ihren Einrichtungen zu meistern. Die Entwicklung regionaler Kulturnetzwerke ist ein Weg, Kultur vor Ort zu stärken, den wir Grüne unterstützen. Daher wollen wir diese finanziell fördern.

Besonders in den Blick nehmen möchten wir die Freie Szene unseres Landes. In der Corona-Krise hat sich weiter gezeigt, dass wir Sicherungskonzepte für diese wirtschaftlich vulnerable Gruppe benötigen. Im Zuge der oben erwähnten Enquetekommission sollen deshalb insbesondere auch Stimmen aus der Freien Szene Gehör finden. Förderlücken wollen wir schließen, indem wir ein Förderinstrument für die Finanzierung von Strukturkosten etablieren und Möglichkeiten für überjährige Förderzeiträume prüfen. Wir wollen auch Standards für die freie Szene festlegen, indem wir die Bezahlung nach Tarif in den Förderkriterien für Landesförderungen verankern.

Rheinland-Pfalz hat gemessen an seiner Größe und Bevölkerungsdichte eine in Deutschland einmalig hohe Zahl an Bibliotheken. Im ländlichen Raum sind sie häufig die ersten und manchmal auch einzigen kulturellen Anlaufstellen. Wir wollen sie dabei unterstützen, ihr Angebot breiter aufzustellen. Bibliotheken sollen Orte sein, in denen sich alle Altersgruppen wohl und willkommen fühlen, die Gelegenheit zum Austausch bieten und die uns mit ihren Angeboten dazu einladen, Neues zu entdecken. Auch Räumlichkeiten für bürgerschaftliches Engagement und weitere Kultur- oder Bildungsangebote können helfen, Bibliotheken zu echten Ankern in der Region zu machen. Als Anreiz und gleichzeitig Auszeichnung für besonders gelungene Konzepte möchten wir einen rheinland-pfälzischen Bibliothekspreis etablieren.

Wir wollen auch die soziokulturellen Zentren in unserem Land unterstützen, da sie die Vielfalt der Kultur im ganzen Land erlebbar machen. Bei vielen von ihnen steht in den kommenden Jahren ein Generationenwechsel an. Diesen Prozess wollen wir intensiv begleiten, indem wir die bestehenden Beratungsangebote überprüfen und wenn nötig, weiterentwickeln.

Die Clubkultur ist wichtiger Bestandteil der kulturellen Vielfalt in unseren Städten und ländlichen Regionen. Clubs und Livebühnen sind die Labore, in denen sich neue künstlerische Richtungen und Szenen entwickeln. Wir wollen, dass Clubs und Livebühnen auch baurechtlich als Kultureinrichtungen anerkannt werden und nicht weiter wie beispielsweise Spielhallen als ‚Vergnügungsstätten‘ behandelt werden.

Chöre und Musikvereine sind wichtige Motoren für die Kultur in allen Regionen. Sie wollen wir weiterhin unterstützen und ihnen im Zuge der Ganztagsschulentwicklung Möglichkeiten geben, ihre Zielgruppen auch künftig zu erreichen. Bereits im letzten Haushalt haben die Musikschulen zusätzliche Mittel vom Land erhalten. Gemeinsam mit den Kommunen möchten wir einen Zukunftspakt für faire Arbeitsbedingungen in Musikschulen vereinbaren und damit sicherstellen, dass Lehrkräfte an Musikschulen in Zukunft wieder häufiger fest angestellt werden. Die in der Corona-Krise eingerichtete Förderung für Programmkinos möchten wir verstetigen, sodass Kinos kontinuierlich in der Lage sind, nötige Investitionen zu tätigen und Bundesmittel einzuwerben.

Kultur für alle

Kultur entsteht nicht im geschichtsfreien Raum. In den vergangenen Jahren haben wir die Gedenkstätten, die sich mit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus beschäftigen, finanziell und personell besser aufgestellt. Bislang hat die Aufarbeitung des kolonialen Erbes in Rheinland-Pfalz noch nicht die nötige politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit erhalten. In Zukunft wollen wir die Aufarbeitung der musealen und universitären Sammlungen stärker unterstützen und weitere Maßnahmen zur Aufarbeitung der europäischen Kolonialvergangenheit fördern. Kulturelle Initiativen und Projekte, die der Perspektive von Menschen mit Migrationshintergrund und Angehörigen von Minderheiten in unserer Gesellschaft Raum geben, wollen wir dabei besonders unterstützen. Die kulturelle Landschaft soll die Interkulturalität unseres Landes abbilden und weiter voranbringen.

Wir möchten sicherstellen, dass alle Menschen in unserem Land Zugang zu Kunst und Kultur haben. Bei der Entwicklung von Sozialtickets in allen Regionen des Landes sollen starke Vergünstigungen für kulturelle Angebote ein Weg sein, um Menschen mit geringem Einkommen soziale Teilhabe zu ermöglichen. Wir unterstützen auch regionale Angebote für Menschen mit geringem Einkommen wie KulturLeben Rheinhessen.

Erfolgreiche Projekte für junge Menschen wie Jedem Kind seine Kunst werden wir weiter ausbauen. Zusätzlich wollen wir dafür sorgen, dass jedes Kind an jedem Ort in Rheinland-Pfalz mindestens einmal pro Kita- oder Schuljahr eine kulturelle Veranstaltung besucht. Nicht zuletzt möchten wir die Kulturinstitutionen weiter für Menschen mit Behinderungen öffnen. Auch Kulturgenuss geht für uns selbstverständlich nicht auf Kosten des Klima- und Umweltschutzes. Deshalb unterstützen wir nicht zuletzt ökologisch sinnvolle Modernisierungen im Kulturbereich, beispielsweise bei der Technik, dem Fuhrpark und der Gebäudemodernisierung.

Medienpolitik ist Demokratiepolitik

Demokratie lebt von Meinungsvielfalt und einem offenen Prozess der Meinungsbildung. Faktenbasierte Information, Wahrhaftigkeit und wechselseitige Achtung sind Grundbedingungen eines demokratischen Diskurses. Wir bekennen uns zu dem Auftrag an die Politik, den Rahmen dafür zu gestalten.

In Zeiten von Desinformation, Verschwörungstheorien und Hass im Netz sind insbesondere seriöse Medien mit hohen journalistischen Standards unerlässlich für den Meinungsbildungsprozess. Nicht zuletzt die Coronakrise hat gezeigt, welche Bedeutung die Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender für eine verlässliche Information der Bürgerinnen und Bürger haben. Wir wollen die Erfüllung des Auftrags der öffentlich-rechtlichen Sender unter Stärkung des Informations-, Bildungs- und Kulturauftrags sicherstellen, dazu gehört auch eine angemessene Finanzierung. Zugleich wollen wir die in digitalen Zeiten notwendige Reform des Auftrags der öffentlich-rechtlichen Sender und ihrer Struktur endlich effektiv vorantreiben. Den Anstalten muss mehr Spielraum im Digitalen eröffnet werden, gleichzeitig gehört die Vielzahl bisheriger Angebote auf den Prüfstand. Zudem unterstützen wir GRÜNE die Zusammenarbeit der Rundfunkanstalten der Länder.

Die digitale Revolution hat die Möglichkeiten zur Meinungsverbreitung erheblich erweitert, zugleich aber die nach journalistischen Standards arbeitenden Medien unter Druck gebracht. Da auch diese einen wesentlichen Beitrag zum demokratischen Diskurs leisten, wird zu prüfen sein, ob und inwieweit diese Medien unterstützt werden sollten. Im Bereich der privaten Medien muss das bislang rundfunkzentrierte System zur Kontrolle von Meinungsmacht, das den Entwicklungen hinterherhinkt, dringend reformiert werden. Insbesondere im Hinblick auf private Fernsehvollprogramme sind wir für die Beibehaltung der regionalen Fenster, wie sie im Medienstaatsvertrag geregelt sind.

Auch Bürger*innen gestalten die bunte und regionale Medienlandschaft mit. Daher leisten auch die Bürgermedien und offenen Kanäle einen wertvollen Beitrag zur Medienvielfalt. Wir wollen das digitale Ehrenamt stärken und die Arbeit der Bürgermedien auch in Zukunft sicherstellen.

Plattformen, die im Internet Informationen zur Verfügung stellen (Intermediäre), sind bedeutende und mächtige Akteure in der digitalen Welt. Einerseits tragen sie wesentlich zur Verteilung von Inhalten und Meinungen bei, andererseits bieten sie den Raum für die Verbreitung von Hass, Lügen und verdeckter politischer Manipulation. Die Medienpolitik muss diese Gefahren dauerhaft und effektiv bekämpfen, ohne die Meinungs- und Informationsfreiheit unangemessen zu beschränken. Die Aufsicht bei der effektiven Durchsetzung der Regulierung muss weiter gestärkt werden.

Die Barrierefreiheit muss in allen Medien wie auch bei den Intermediären eine

Selbstverständlichkeit werden. Insbesondere der SWR muss seine Angebote allen Menschen barrierefrei zugänglich machen. Unsere Ziele sind 100 Prozent Untertitel im Fernsehen, mehr Audiodeskription und Gebärdensprache. Ebenso wollen wir eine stärkere ökologische, nachhaltige Gestaltung der Medienangebote.

Ein besonderes Anliegen ist für uns GRÜNE der Jugendmedienschutz. Wir wollen medienpädagogische Programme ausbauen, um die Medienkompetenz zu stärken. Den Jugendschutz wollen wir für alle Medien weiterentwickeln und setzen auf einen einheitlichen Kinder- und Jugendmedienschutz, der nicht entlang der Medienart divergiert. Bund und Länder müssen sich bei Beachtung der Zuständigkeiten auf ein einheitliches Regelwerk einigen.